Postgeschichte / Geschichte von Schiffweiler
Postgeschichte von Schiffweiler
Geschichte Schiffweiler
Dr. Helmut Weyand
Schon in der keltisch-römischen Zeit gab es auf der Gemarkung von Schiffweiler vereinzelte Ansiedlungen, die durch zahlreiche Funde belegt sind, aber erst im 6./7. Jahrhundert, nach der germanischen Landnahme, entstand eine geschlossene Siedlung, ein kleiner Weiler. Am 17. Februar 893 wird dieser Weiler erstmals urkundlich erwähnt: Bischof Rodbert von Metz überlässt in einer Schenkungsurkunde dem Kloster Neumünster die Mutterkirche in Letoldingos (Illingen) und die dazu gehörige Kapelle „in loco qui dicitur Scufines villare“ (in dem Ort, der Schiffweiler genannt wird) mit allen ihren Einkünften. Damit wird Schiffweiler ein grundherrliches Dorf des Klosters, dem seine Bewohner den Zehnten und andere Abgaben zu entrichten und Frondienste zu leisten hatten.
Im Jahr 1276 übertragen die Grafen von Saarbrücken, die inzwischen Schirmherren des Klosters Neumünster geworden waren, Scifwilre als Lehen an die Ritter von Benningen, die nun ihrerseits nach Belieben das erworbene Grundeigentum mit seinen Bewohnern vererben oder veräußern konnten. 1350 erwarben die Herren von Eppelborn einen Teil Schiffweilers, und deren Erbe, Friedrich von Greiffenclau zu Volradts, verzichtete 1430 auf die „eisenschmiiten und kohlengruben“ in Synderdal und Schiffweiler: der erste Hinweis auf den Kohlenbergbau.
1575 führten die Grafen von Nassau-Saarbrücken und Ottweiler in ihren Territorien die Reformation ein, und so wurde Schiffweiler nach der Regel „wes das Land, des der Glaube“ protestantisch. In den Wirren des 30-jährigen Glaubenskrieges (1618-1648) legten 1635 kaiserliche und trierische Truppen alle Dörfer der protestantischen Grafschaft Ottweiler, darunter auch Schiffweiler und Stennweiler, in Schutt und Asche. Nach Friedensschluss behinderten die Reunionskriege lange Zeit eine Wiederbesiedlung, so dass 1684 erst sieben Vogteien (Bauerngüter) wieder bewirtschaftet waren.
Eine straffe Verwaltung durch die Fürsten von Nassau-Saarbrücken machte etwa ab 1700 ein geordnetes Zusammenleben in den grundherrlichen Dörfern des Fürstentums wieder möglich, indem nach und nach die zerstörten Vogteien neu vergeben und Wiesen und Felder wieder urbar gemacht wurden. 1707 zählte man schon 127 Personen in Schiffweiler und 1737 erfasste eine Liste des „Hochfürstlichen Amtes“ in Schiffweiler 185 Personen (über 10 Jahren), und 32 Vogteien waren wieder bewirtschaftet.
1741/42 fand eine Vermessung des gesamten Schiffweiler Bannes statt, der sich über das „Bildstöcker Hofgut“ und den „Hinterfelder Hof“ (Hühnerfeld) bis zur „Friedrichsthaler Glashütte“ erstreckte. Die Gemeindegrenzen zwischen Schiffweiler, Stennweiler und Landsweiler wurden festgeschrieben und die „Weidegerechtigkeiten“ geregelt.
Mit der „Bann-Renovatur“ von 1767 wird das gesamte Dung-Ackerland der Gemeinde, das sich bisher in Gemeinbesitz befand und im Rhythmus der Dreifelderwirtschaft alle 3 – 6 – 9… Jahre unter den Vogteibesitzern nach festen Regeln Gewann für Gewann und Parzelle für Parzelle verlost worden war, persönliches, frei verfügbares Eigentum.
1782 wird auch das verbliebene „gemeine Ackerland“ verteilt, aber diesmal bekommt jeder Dorfbewohner seinen Anteil. Die bisherige Unteilbarkeit der Vogteien wird aufgehoben, die Bindung an die Grundherrschaft fällt 1792 mit der Ankunft der französischen Revolutionstruppen, der „Code civile“ Napoleons führt die Realerbteilung ein, die -im Gegensatz zum bisher geltenden Anerbenrecht- auch den nachgeborenen Kindern ihren Anteil am Erbe, vor allem an Acker- und Wiesenland, zusichert: Die agrargesellschaftliche Ordnung im grundherrlichen Dorf Schiffweiler löst sich auf, eine neue Zeit beginnt, in der Schiffweiler zum Arbeiterbauerndorf wird.
Nach der französischen Besatzungszeit (1792 – 1814) kam Schiffweiler 1816 mit dem Kreis Ottweiler und dem größten Teil des Saar-Kohlebeckens an Preußen, das bemüht war, den Steinkohlenbergbau intensiv zu fördern.
Steinkohlen werden auf Schiffweiler Bann schon 1430 erwähnt. In sog. Bauerngruben, in „Pingen“ genannten Schürflöchern, versorgten sich die Bauern seit Jahrhunderten mit Kohlen zum Kalkbrennen und mussten dafür dem Grafen von Ottweiler den „Kohlengült“ zahlen, und 1751 machte Fürst Wilhelm-Heinrich von Nassau-Saarbrücken die Kohlengräberei zur „Chefsache“, indem er den kunstgerechten Kohlenabbau in Stollen einführte und die Gruben sozusagen verstaatlichte.
Unter der preußischen Verwaltung kam es nach anfangs zögerlichem Anstieg der Kohlenförderung etwa um die Jahrhundertmitte zu einer geradezu sprunghaften Schnellentwicklung des Steinkohle-Bergbaus durch Erschließung neuer Flöze, Weiterentwicklung des Schachtbaus, Hebung des Absatzes durch den Bau von Straßen und Bahnlinien…
1850 wird Reden ein selbstständiges Bergwerk, und 1863 wird die Nachbargrube, die seit 1857 Kohlen gefördert hat, von ihrem Namengeber, Graf von Itzenplitz, feierlich eingeweiht. Konnte anfangs der Bedarf an Arbeitskräften aus den grubennahen Dörfern gedeckt werden, so musste die Bergverwaltung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verstärkt Arbeiter aus dem bäuerlichen Hinterland anwerben. Die große Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz machte eine Ansiedlung in Grubennähe erstrebenswert, und eine geschickte Siedlungspolitik der Bergverwaltung ermöglichte sie. Werkssiedlungen zu bauen und an Bergleute zu vermieten, lehnte man ab. Bergrat Sello kam dem Wunsch der Bergleute, ein Eigenheim und etwas Land zu besitzen, entgegen: Die Bergverwaltung zahlte den Bauwilligen eine Prämie aus und gewährte ihnen ein Darlehen, und so wurden auf Schiffweiler Bann ab 1856 die „Colonisten-Wohnungen“ von „Klein-Helgenwald“ gebaut, einfache Prämienhäuser der 1. Generation, und in Schiffweiler wurden die Prämienhäuser der 2. Generation (mit Sandsteinsockel und Klinkerfassaden) etwa ab 1900 zu einem neuen, weit verbreiteten Haustyp.
Der Bergfiskus stellte den Hausbesitzern ab 1856 bis zu einem halben Morgen Pachtland zur Verfügung, Zukauf kleiner Parzellen war möglich, in 768 von 860 Häusern wurde 1857 in Schiffweiler Vieh gehalten: Ein neuer Stand hat sich gebildet, der Bergmannsbauer, der im Nebenberuf unter Mithilfe der ganzen Familie etwas Landwirtschaft betrieb.
Die Nähe zu den Gruben Reden und Itzenplitz führte in Schiffweiler zu einem rasanten Bevölkerungswachstum: Um 1800 hatte Schiffweiler rund 500 Einwohner - zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es rund 4000.
Der rasche Bevölkerungsanstieg forderte von der Gemeinde große finanzielle Anstrengungen: Das Wegenetz musste ausgebaut werden, in 60 Jahren wurden vier Schulhäuser, eine Pfarrkirche und ein Rathaus gebaut. Eine neue Zeit beginnt für Schiffweiler: Eine „Postexpedition“ wird errichtet (1868) und eine „Telegraphenstation“ (1874), die Fischbachbahn wird eröffnet (1879), zwei Güterzüge mit Personenbeförderung halten täglich am Bahnhof Schiffweiler, seit 1895 gibt es eine Apotheke, und 1896 wird die erste Telefonleitung in Schiffweiler verlegt. 1902 eröffnet im Haus Riotte ein Postamt – und 1912 baut Peter Spaniol seine Badeanstalt.
Ein schwarzer Tag für Schiffweiler ist der 28. Januar 1907. An diesem Tag starben im Bergwerk Reden bei einer Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion 150 Bergleute, 26 aus Schiffweiler.
Im Ersten Weltkrieg hatte Schiffweiler 186 Gefallene zu beklagen.
1921 tritt Heiligenwald aus dem Gemeindeverband aus und wird eine selbstständige Gemeinde.
Im Zweiten Weltkrieg starben bei Fliegerangriffen, die dem Mühlbachviadukt galten und ihr Ziel verfehlten, 15 Einwohner, darunter vier Kinder.
In der Zeit des Wirtschaftswunders hat sich das soziale Gefüge Schiffweilers grundlegend geändert: Den Bergmannsbauern gibt es nicht mehr. Große Teile der Flur fallen vorübergehend brach. Nach dem harten Arbeitstag im Bergwerk Landwirtschaft zu betreiben, war nicht mehr lebensnotwendig.
In den 50er Jahren drohte Schiffweiler zum „sterbenden Dorf“ zu werden. 200 Häuser mussten wegen Bergschäden abgerissen werden. Schiffweiler begegnete der Bedrohung durch die Erschließung neuen Siedlungsgeländes „auf der Ramheid“, „in den Rotthecken“ und „auf der Waldwiese“. Das „Baulückenprojekt“ machte zwischen 1995 und 2000 schließlich aus den durch Bergschäden an den stärksten betroffenen Straßen wieder stattliche Wohnstraßen.
Am 1. Januar 1974 werden durch das Gesetz zur Verwaltungs- und Gebietsreform die Gemeinden Landsweiler-Reden, Heiligenwald und Stennweiler mit Schiffweiler zusammen zum Verwaltungsverbund der Reformgemeinde Schiffweiler.
Die Geschichte der Gemeinde Schiffweiler wurde über weite Strecken vom Bergbau geprägt. Mit der endgültigen Einstellung der Kohlenförderung im Bergwerk Reden im Jahre 1995 ging eine bedeutende Epoche in der Gemeindegeschichte zu Ende. Das Bergmannsdorf des 20. Jahrhunderts wird zur Wohn- und Dienstleistungsgemeinde, die sich durch Erschließung neuer Gewerbegebiete und Neuansiedlung von Firmen mit Energie und Zuversicht den Herausforderungen der Zukunft stellt.
Das Bergwerk Reden wurde nicht zur Industrieruine, sondern zum „Zukunftsort Reden“.